Den engen Zusammenhang zwischen Mode und Parfum, den auch Laurent Mazzone innerhalb seiner Arbeit zieht, empfinde ich als essentiell. Nicht umsonst war eine meiner ersten Artikel in Serie hier “Parfums zum Anziehen”. Dass manche Düfte aber nicht nur Kleidungsstücke sind, sondern auf Haut und Seele liegen, scheint er mit dem neuesten Duft “Cicatrices” (frz., Narben) aus der Intimacy Collection verdeutlichen zu wollen.

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HERSTELLERINFORMATIONEN

“Um Intimität zu geben, musst du Erinnerungen haben,
Um Erinnerungen haben zu können, musst du gelebt haben,
Wenn du gelebt hast, wirst du niemals vergessen.

Willkommen in der Welt der Schatten, wo Positives und Negatives nicht definiert ist, wo es verflochten ist, denn wo es nichts Negatives gibt, kann es nichts Positives geben.

Willkommen zu einer Erweiterung der Intimacy Collection: Cicatrices. Voll widersprüchlicher Offenbarungen provoziert Cicatrices neue Erinnerungen, um Intimität zu wecken. Deine Haut zeigt eine unsichtbare Narbe, ein stilles Mal, das ein persönliches Gefühl reflektiert, das nun für immer deine Seele zeichnen wird. Diese Zwiesprache mit deiner Seele wird dich mit dem Herzen des Duftes verbinden.

Mach dein Herz für eine neue Narbe bereit und deine Seele für Cicatrices.”

Preis: 250 € für 100ml Extrait de Parfum (s.u. Kleines Duft 1×1) bei Essenza Nobile

Kopfnote: Süßholz (Lakritze), Bergamotte
Herznote: Myrrhe, Iris, Leder
Basisnote: Patchouli, Vanille, Labdanum (Zistrose)

EINDRUCK

Im ersten Augenblick ist die herb-süße Mischung aus Süßholz, Myrrhe und Leder auf meiner Haut deutlich im Vordergrund. Insbesondere innerhalb der Kopfnoten spielt es mit einem intensiven Akkord, der dominant und zunächst männlich auftritt, das Kinn reckt, eine kämpferische Schärfe zeigt und jedem Blick standhält. Ein Charakter, der von Schmerzen geformt wurde, ein Blick der seine Narben mit Stolz trägt und ein Aufbrausen von Wehrhaftigkeit an den Tag legt, die langsam in eine stolze Iris übergeht, deren Kopf gehoben bleibt, während der Puls des eigenen Blutes darunter schwülwarm schlägt und sich eine gespannte Ruhe über die Wallungen legt.

 

DAS KLEINE DUFT 1×1
Labdanum ist ein intensiv duftendes Harz der Zistrose, das im Sommer aus Blättern und Zweigen dringt. Es wird bereits seit dem alten Ägypten als Duftstoff und für die Heilung verwendet. Es duftet ambra-artig mit einer dezenten Honignote. Der Name (“Ladan”) bedeutet “klebriges Kraut”. Früher sammelte man es aus dem Fell der Ziegen und Schafe. Heute wird es meist durch Kochen von Blättern und Zweigen, Dampfdestillation oder Lösungsmittelextraktion gewonnen.

Es gibt bei Parfum verschiedene Konzentrationsklassen. Während das Eau de Toilette, – das heutzutage meist verwendet wird – eine Verdünnung von 6–9% aufweist, ist das Eau de Parfum (intensiver und sowohl auf der Haut als auch im Flakon länger haltbar) mit einer Konzentration von 10–14% mit Variationen bis zu 20% deutlich konzentrierter. Ein Extrait de Parfum – wie wir es hier vor uns haben – erreicht Konzentrationen an Duftstoffen innerhalb der Mischung von 15–30%, bei noch intensiveren Varianten bis zu 40%(!) und ist somit besonders intensiv, kostbar und langlebig.

 

Im weiteren Verlauf nimmt die Wärme von Patchouli, Vanille und Leder zu, wird weicher, behält aber eine schwüle Macht, die an ihrer äußersten Schicht eine matte Trockenheit vortäuscht, in die man jedoch tief, weich und feucht eindringen kann, wenn die Sinne sich auf das Spiel zwischen Oberfläche und Tiefe einlassen. Dieser Duft ist dreidimensional und greifbar wie eine Wolke.

Während die erste Begegnung mit dieser Narbe wie mancher Schmerz intensiv, plötzlich, einnehmend, hypnotisch ist, wachse ich im Laufe des Tragens mit ihr zusammen, verleibe sie mir ein – oder sie sich mich. Wir werden eins und dabei zeitlos. Durch die intensiven mystischen Nuancen dringen Bilder des alten Ägypten vor, die Hitze einer großen Epoche, die Riten vieler Völker, die durch Räucherwerk die Erde mit den Göttern verbanden.

Und schlafend in diesem Duftmantel lerne ich die Sicherheit kennen, die er verleiht, die Wärme, den Wächter, der dicht über der Haut schwebt wie ein alter Geist und mich noch am nächsten Tag mit einem Anklingen seinr Wärme begrüßt. Wenn die Narbe ein Teil von einem wird. Wenn man Frieden mit der Verbindung schließt, die auch Schmerz getragen hatte. Ein weiches Pochen. Eine vom intimer Nähe mit der eigenen Erfahrung.

FAZIT

Laurent Mazzone hat unter dem Label LM Parfums seit 2011 charakterstarke Düfte (meist für Männer und Frauen zugleich) entworfen. Dabei arbeitet er zusammen mit Jerome Epinette, der Nase hinter einigen Düften von Atelier Cologne und Byredo. Black Oud ist einer seiner meistgeliebten Düfte mit dem orientalischen Duftthema, in dem sich eine etwas trockenere Variation von Räucherwerk und Holz findet, während Cicatrices eher eine süße, holzige Schwüle mit sich bringt, die sich in einen trockenen Mantel kleidet.

Cicatrices ist aufgeladen mit mythisch-dunkler Bedeutung (Patchouli, Labdanum, Myrrhe), samtiger (Iris) und “gelebter” (Leder) Haut. Die Verbindung von der Außenwelt mit der Seele wird in diesem intensiven Duft spürbar, der an Langlebigkeit auf der Haut keinem Duft nahe kommt, den ich kenne. Hier ein Extrait de Parfum vor sich zu haben (s.o. Kleines Duft 1X1) ist eine gebündelte Kostbarkeit, die sich in Wirkung und Dauer konkurrenzlos zeigt. Noch 24h später kann ich Cicatrices auf meiner Haut wahrnehmen… wie eine vergehende Erinnerung… wie eine verblassende Narbe, die sich gleichgültig ihrer Größe an der Gegenwart, unseren Wunden und unserer Seele festhält.

Während Cicatrices zunächst eine Macht aufweist, die Liebhabern feiner, zarter Düfte wie ein Übergriff vorkommen muss, ist der Ton, den die “Narben” zurücklassen ein erdwarmer, holzsüßer Klang, der beide Geschlechter schmückt und die enorme und mystische Präsenz einer uralten Seele mit sich bringt. Düster, schwer, aber nicht niederdrückend. Fast ein kleiner Zweikampf, sich diesen Duft “anzueignen”, ihn sich anzuziehen und zu sehen, wer wen trägt. – Wie bei Narben, die uns entweder zu dem machen, was wir sind – oder uns nehmen, was wir waren.

“The world breaks everyone.
– Then some become strong
at the broken places.”

– Hemingway –

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