Autor: David Nicholls
Version: Kindle, 8,99 Euro

Leseanreiz:
Em und Dex. Dex und Em. Diese beiden sind die Protagonisten in David Nicholls Roman, der gar keine klassische Liebesgeschichte ist. Der Autor lässt uns jedes Jahr am gleichen Tag in ihre Leben spähen, die sich immer wieder kreuzen, mal im Groll, in Sehnsucht, in Traurigkeit oder gemeinsamem Lachen.
Wer hofft, in “Zwei an einem Tag” einen “Schmachtroman” zu finden, wird sich täuschen. Die Sprache ist auf eine spielerische Art lebensnah, ironisch und immer wieder eine Art verbales Object Trouvé.

Die Geschichte
Emma hat einen hervorragenden Abschluss gemacht, ist clever, witzig und voller Ideale (“Ein stabiles, ehrliches, praktisches Kassengestell zeigte, dass einem alberne Nebensächlichkeiten wie gutes Aussehen egal waren, weil man sich mit höheren Dingen beschäftigte.”, “Manchmal, wenn es schlecht läuft, fragt sie sich, ob ihre Liebe zum geschriebenen Wort nicht nur ein Büroartikelfetisch ist.”). Dex ist ein verwöhnter Sohn, dessen Aufmerksamkeitsspanne geringer ist als die eines Eichhörnchens mit Aufmerksamkeitsdefizitstörung und sich schnell von potentiellen Sexualpartnern ablenken lässt. Sie hat Ideale und wenige Möglichkeiten. Er hat viele Möglichkeiten und das Ideal von wechselnden 90-60-90 im Bett (“He! Ich hab auch Ideale!” – “Mit zwei Frauen gleichzeitig zu schlafen, ist kein Ideal, Dex.”, “Dexter hielt sich nicht für eitel, aber es gab zweifellos Zeiten, wo er wünschte, jemand würde ein Foto von ihm machen.”) . Trotzdem ist es charmant, beide zu begleiten und ihre Begegnungen mitzuerleben, ihre Entwicklung und ihre Nähe.

Über 20 Jahre hinweg darf man jedes Jahr am 15. Juli durch das Fenster sehen und ihren Tag miterleben. Manchmal lacht man, manchmal ist es nachdenklich oder schön. Die Sprache ist dabei immer angenehm selbstironisch mit herrlichen un-abgenutzten Metaphern und dabei keineswegs lyrisch oder verklärt, sondern eher leicht zynisch mit einem Zwinkern und der authentischen Kenntnis des unperfekten Menschen.

Fazit:
Ein authentisches Buch über zwei Menschen, kein Liebesroman, sondern ein Lebensroman ohne Schnörkel, aber mit echt wirkenden Charakteren, den kleine Momenten, den Handlungen und Gedanken, für die jeder von uns sich schämt und sie trotzdem denkt. Ein bereicherndes Buch und vielleicht berührt es mich auch, da ich selbst (Anfang 30) an einem Punkt bin, wo ich auch weiß, ich bin nicht mehr 20. Die Aussicht auf vieles, die Meinung über einiges, die eigene Rolle… es verändert sich und ich weiß nicht, wie ich das Buch mit der gefühlten, selbstbewussten Unzerstörbarkeit von Anfang 20 gelesen hätte. Als Em etwa 20 ist, schreibt sie “Der Trick ist, mutig und unerschrocken zu sein und ewas zu verändern. Vielleicht nicht gleich die ganze Welt, nur das kleine Stück um sich herum.” und später “Mit 38 wäre es lächerlich zu erwarten, dass ein Buch oder Film das ganze Leben veränderte.”. Wie sich verändert, was man denkt und glaubt, tun und leisten zu können. Es lässt mich hinterfragen, woran glaube ich, welche Träume habe ich am Wegrand abgestellt und war das gut oder sollte ich sie mir zurück holen. Und jeder verändert das kleine Stück um sich herum.